Materials Benchmark Report 2024 &  BCome Sustainability Handbook 2025

Quelle: Pexels

2024 hat Fortschritte in der Textilbranche sichtbar gemacht, aber auch die dringenden Herausforderungen deutlicher denn je offengelegt. Mit dem Materials Benchmark Report von Textile Exchange und dem Sustainability Handbook von BCome blicken wir auf interessante Zahlen, Fakten und Entwicklungen zurück.

 

2025 wird ein Jahr des Wandels: Nachhaltige Strategien müssen professionalisiert, Lieferketten digitalisiert und soziale Verantwortung konsequent gestärkt werden. Im Handbook teilen Branchenexpert*innen ihre Visionen und praxisnahen Tipps – zu entdecken gibt es Anregungen für zukunftsfähige Nachhaltigkeitsstrategien, die auch für Ihr Unternehmen den Unterschied machen.

 

 


Materials Benchmark Report 2024

Mit dem Materials Benchmark Report 2024 präsentiert Textile Exchange einmal mehr den umfassendsten Peer-to-Peer-Vergleich in der Textil- und Bekleidungsindustrie, an dem 418 Marken teilgenommen haben. Im Fokus steht die Frage, wie weit die Branche in Bezug auf eine nachhaltigere Materialbeschaffung fortgeschritten ist. Während der Einsatz nachhaltiger Materialien wächst und recycelte Alternativen zunehmend an Bedeutung gewinnen, bleibt die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe eine der zentralen Problematiken. 

 

Grundlage für den Report bildet eine standardisierte Umfrage, die Textile Exchange Unternehmen zur Verfügung stellt, um Konsistenz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Materialebene zu fördern. Die Berichte wurden dabei in die Kategorien Brands & Retailers und Suppliers & Manufacturers unterteilt. Jedoch füllen nicht alle Unternehmen die Umfrage vollständig aus. Das „Materials Benchmark Program“ beruht auf den Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden, eingereichten Angaben sind nicht validiert. Die gewonnen Einblicke sind als spannend, aber unter diesem Gesichtspunkt kritisch zu betrachten.

Wichtige Entwicklungen im Report

Umfassendster Peer-to-Peer-Vergleich der Branche, Quelle: Textile Exchange

  • Der Anteil nachhaltig beschaffter Rohstoffe wuchs von 2022 bis 2023 von 53% auf 57%.
  • Textil-zu-Textil Recycling bleibt bei einem Anteil von unter einem Prozent der verwendeten Fasern.
  • Der Gesamtverbrauch von Fasern und Rohstoffen sank unter den Teilnehmenden Firmen von 2,3 auf 2,1 Millionen Tonnen.
  • 75% oder mehr der bezogenen Fasermaterialien stammen aus unbekannten Herkunftsländern.
  • 79% der Marken und damit ein deutlich gestiegener Anteil setzten sich deutlich mehr formelle Klimaziele.
  • Mit 86% ist der Anteil an Marken, die Maßnahmen zur Reduzierung von Auswirkungen auf Klima und Natur umsetzen, um über 15% gestiegen.

Fortschritte in der Materialbeschaffung

Der Anteil der Baumwolle, die unter nachhaltigen Bedingungen angebaut oder recycelt wurde, ist im Vergleich zum Vorjahr um ein Prozent gestiegen und macht nun 80 % des insgesamt berichteten Baumwollanteils aus. Deutlich zulegen konnte der Anteil von recyceltem Polyester, der im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozentpunkte auf 55 % angestiegen ist. Auch recyceltes Polyamid konnte seinen Anteil deutlich auf 20 % erhöhen. Recycelte Viskose verzeichnete einen Zuwachs von 0,7 Prozentpunkten und liegt immer noch bei einem Anteil von weniger als 1 %. Lediglich der Anteil an Wolle, die unter ökologischen Bedingungen erzeugt oder recycelt wurde, ist um 1 Prozentpunkt auf 37 % zurückgegangen. 16 % der Wolle wurden nach dem Responsible Wool Standard produziert. Alles in allem ist der Anteil nachhaltig produzierter Rohstoffmaterialien gestiegen und macht nun 57 % der berichteten Gesamtmenge aus

 

Verteilung der Materialbeschaffung nach Faserarten im Report, Quelle: Materials Benchmark 2024 Factsheet

Unbekannte Herkunft: Transparenz bleibt ein großes Problem

Die teilnehmenden Marken berichten, dass die Herkunftsländer eines Großteils der eingesetzten Fasermaterialien unbekannt sind. Für Baumwolle, Wolle und Viskose stammen rund 80 % der Materialien aus nicht nachvollziehbaren Herkunftsländern. 

 

Generell stammen 75% oder mehr der bezogenen Fasermaterialien aus unbekannten Herkunftsländern. 

 

Für Zellulosefasern wurden die Länder der Faserproduktion abgefragt, da davon ausgegangen wird, dass ein großer Anteil der forstwirtschaftlichen und recycelten Rohstoffe aus unbekannten Quellen stammt. Bei synthetischen Zellulosefasern wurde versucht, das Herkunftsland der Rohstoffe zu bestimmen. Häufig wurde aber nur das Land der Faserherstellung angegeben. Bei Polymeren wurde wiederum das Produktionsland des Polymers ermittelt, da eine Rückverfolgbarkeit bis zur Rohölquelle nicht möglich ist. Für biobasiertes Polyester wurde das Produktionsland des Ausgangsmaterials erfasst. Während im aktuellen Bericht noch wahrscheinliche Angaben zu den Ursprungsländern berücksichtigt wurden, sollen in zukünftigen Berichten nur noch präzise und verifizierbare Herkunftsinformationen akzeptiert werden

 

Herausforderungen für die Zukunft: Nachhaltige Baumwolle und recycelter Polyester

Mit verschiedenen Herausforderungen, wie der “2025 Sustainable Cotton Challenge”(150 Unterschreiber), der “2025 Recycled Polyester Challenge“ (121 Unterschreiber) fordert Textile Exchange die Branche in der Umstellung auf nachhaltige Materialien. Der aktuelle Status dieser Challenge kann auf der Website abgerufen werden https://textileexchange.org/challenges-dashboard/ Es zeigt sich, dass jeweils nur ein Bruchteil der teilnehmenden Unternehmen bislang auf nachhaltige Baumwolle (21%) oder recycelten Polyester (12%) umgestellt hat. Positiv hervorzuheben ist, dass der Einsatz von neuem, fossilem Polyester deutlich gesunken ist: von 930.955 Tonnen im Jahr 2022 auf 679.871 Tonnen im Jahr 2023.

 

Der Gesamtverbrauch von Fasern und Rohstoffen sank unter den Teilnehmenden Firmen von 2,3 auf 2,1 Millionen Tonnen. Basis für diese Angabe sind die Daten von 53 Marken, die über ihre Fasermaterialien sowohl 2022 als auch 2023 vollumfänglich berichtet haben.

 

Fortschritt in den Themen Klima- und Naturschutz

Sowohl der Anteil an Marken mit offiziellen Klimazielen (66 -> 79%) als auch der Anteil von Firmen, die Maßnahmen zur Reduzierung von Auswirkungen bei der Rohstoffgewinnung (79 -> 86%) stieg im Berichtszeitraum deutlich an. Für das Thema Regeneration von Natur, setzten sich nach eignen Angaben mit 61% ca. 12% mehr Marken als im Vorjahr ein. 

BCome Sustainability Handbook 2025

Zum Jahreswechsel hat die Innovationsplattform BCome das Sustainability Handbook 2025 in der dritten Auflage herausgebracht. Hier werden Branchenentwicklungen anhand brandaktueller Daten reflektiert, einschneidende Entwicklungen werden kritisch unter die Lupe genommen und Changemaker der Branche verraten ihre praxisnahmen Tipps zukunftsfähige Nachhaltigkeitsstrategien. 

 

Der BCome Plattform für globales Nachhaltigkeitsmanagement in der Modebranche, die ursprünglich von der renommierten Ellen McArthur Foundation gegründet wurde, ist mit dem Guide aus unserer Sicht erneut ein faktenreiches und ansprechendes Branchentool gelungen.

 


herausforderungen

Die Verfassenden identifizieren drei Spannungsfelder, die Lieferketten und die Textilbranche beeinflusst und diese vor große Veränderungen in 2025 stellen:

 

Geopolitische Themen: Der russische Angriffskrieg, Spannungen im Nahen Osten und zwischen China und den USA und die politische Neuausrichtung in Europa und den USA.

 

Klima Themen: Hitzewellen in Asien, Rekordtemperaturen, Überflutungen und Stürme in Lateinamerika, Spanien und vielen weiteren Ländern.

 

Rechtliche Themen: Inkrafttreten von Ecodesign for Sustainable Products Regulation, Corporate Sustainability Due Diligence Directive, Corporate Sustainability Reporting Directive, Regulations on Waste Shipments und der Regulation on prohibiting products made with forced labour.

2024 in zahlen

Anhand unterschiedlicher Grafiken wird die Entwicklung der Branche im Vergleich 2024 zum Vorjahr 2023 betrachtet. Den Rückgang der europäischen Exporte führen die Herausgeber auf eine reduzierte Nachfrage in den Schlüsselmärkten zurück. Als mögliche Uhrsachen werden Währungsschwankungen und inflationsbedingte Teuerungen benannt.

Rückgang europäischer Exporte, Quelle: BCome Sustainability Handbook 2025

Der harmonisierte Index für Verbraucherpreise für Bekleidung zeigt einen moderaten Jahresanstieg von 1,1%, der deutlich unter dem Anstieg im Vorjahr liegt. Die Autoren sehen darin eine Stabilisierung, auch wenn ein positiver Trend aufgrund von Produktionspreisen und verändertem Konsumverhalten zu beobachten ist.  

Der harmonisierte Index für Verbraucherpreise scheint nach einem starken Vorjahresanstieg zu stabilisieren, Quelle: BCome Sustainability Handbook 2025

Was die Industrie 2024 bewegt hat

Als ausschlaggebende Ereignisse in der Industrie werden beispielsweise die Proteste von Textilarbeiter*innen in Bangladesch für Arbeitnehmerrechte, der Aufbau chinesischer Fabriken in Europa, die offengelegte Ausbeutung in Luxuslieferketten, der Bankrott des Recycling Innovators Renewcell und dem massiven Emissionsanstieg von Shein, der dem doppelten Umsatz entspricht, festgehalten. 

Exklusive Einblicke in Nachhaltigkeitsstrategien von Innovatoren

Einen Blick auf die Chancen und Potentiale einer nachhaltigen Strategieausrichtung für Unternehmen wird in spannenden Interviews mit Regina Polanco, CEO des Materialinnovators PXRATEX, Philipp G. Mayer von der Traceability Platform retraced und Antonio Roade vom spanischen Unternehmen Adolfo Domínegue`s geworfen. Das Besondere, die drei geben exklusive Einblicke in individuelle Unternehmensstrategien. 

 

Während Polanco sich für Next Gen Materials und deren Designvielfalt ausspricht, sieht sie den DPP als Wendepunkt in der Branche und eine professionalisierte Datenerfassung als bedeutendes Nachhaltigkeitstool für anstehende Prozesse. 

 

Philipp G. Mayer sieht eine Branchenproblematik darin, dass oft nur ein Fokus auf fist-tier Lieferanten liegt und ein tiefes Eintauchen in die Lieferketten bis zum Ausgangsmaterial und damit  Tier 4 dringend notwendig ist. 

Als Schlüssel zur Bewältigung anstehender Regularien sieht er neben einer Digitalisierung der Lieferkette, Verantwortungsvolle Ressourcenbeschaffung und Kollaborationen, mit denen Risiken identifiziert und reduziert werden. Dabei begegnen Unternehmen zahlreiche Herausforderungen, die von Komplexität der Lieferketten, über die Datenerfassung, umfangreiche Investitionen bis hin zur Förderung von Lieferantenengagement durch vertrauensvolle Partnerschaften reichen. 

 

Eine Überraschende und inspirierende Perspektive bietet auch Roade von Adolfo Domínegue. Hier sind Qualität und natürliche Materialien Teil der Firmen DNA. Ein Quality Assurance Team wurde in der Lieferkette integriert und Prozesse bewusst entschleunigt, sodass Lieferanten ausreichend Zeit zur Verfügung haben, um Qualitätsanforderungen zu entsprechen. Der Director of Sustainability und Positive Impact fordert eine Besinnung darauf, dass der Schlüsselindikator für den Einfluss von Bekleidung noch immer die Lebensdauer ist. 

Den anstehenden Herausforderungen setzten die Expert*innen eine Reihe von Ideen entgegen, Quelle: Pexels


7 Herausforderungen nach BCome für 2025

  1. EU- & US-Regularien
  2. Folgen des Klimawandels
  3. Entkopplung Wachstum & Profit
  4. Transparenz steigern
  5. Soziale Verantwortung voranbringen
  6. Nachhaltigkeit finanzieren
  7. Next-Gen-Materialien voranbringen

Mit dem Corporate Sustainabiltity Due Diligence Directive nehmen Sorgfaltspflichten weiter an Bedeutung zu. Insbesondere im Tier 4 kommen viele Heimarbeiter und Unterauftragnehmer zum Einsatz, die Gefahren wie Kinderarbeit, Ausbeutung mit sich bringen. Der aktuelle Material Benchmark Report verdeutlicht, dass über 75% der teilnehmenden Firmen die Herkunftsländer ihrer Rohstoffe nicht benennen können. Durch Multi-Stakeholder-Initiativen und verantwortungsvolle Beschaffung kann soziale Verantwortung in der Lieferkette von Unternehmen vorangebracht werden. 

 

Diese und zahlreiche weitere praxisnahe Tipps finden sich im Sustainability Handbook 2025, das aus unserer Perspektive einen gelungenen Bogen zwischen Erkenntnissen und Ereignissen in 2024 und Motivation für das anstehende Jahr 2025 in einem Tool vereint. 

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