Erfolgsmodell mit Zukunftspotential - Nachhaltigkeit in Usbekistans Textilsektor

Quelle: Textile Exchange

Worauf wir in diesem Jahr besonders gespannt sind? Auf die Finalisierung des Materials Matter Standards (MMS) von Textile Exchange, mit dem eine neue Ära anbricht. Ab Mitte 2026 gültig, verspricht er eine revolutionäre Vereinheitlichung der TE-Standards. Ziel ist es, durch die Wahl von nachhaltigen Materialien die Treibhausgasemissionen drastisch zu senken, Menschenrechte und Tierwohl zu fördern und recycelte Materialien stärker zu integrieren. Wie praxistauglich ist der neue Ansatz wirklich, und was bedeutet das für die Branche? Wir haben die Pilotversion kritisch unter die Lupe genommen und teilen in diesem Artikel unsere Erkenntnisse und Bedenken mit Ihnen!

 

 


Textile Exchanges Pläne zur Vereinheitlichung des bestehenden Standardsystems nehmen Fahrt auf. Sechs von insgesamt acht TE-Standards werden im Materials Matter Standard zusammengeführt. Vom Responsible Wool Standard (RWS) bis hin zum beliebten Global Recycled Standard (GRS) fallen künftig unter das Dach des neuen Materials Matter Standard (MMS). Ausnahme ist der Organic Content Standard (OCS), der als eigenständiger Standard weitergeführt wird und auch der übergeordnete Content Claim Standard (CCS) hat weiterhin Bestand. Mit der Veröffentlichung des neuen Standard-Logos Ende 2024, nimmt der MMS, der in der Vergangenheit unter dem Arbeitstitel „Unified Standard“ geführt wurde, weiter Form an. 

Zeitplan

  • 2023 Feedback-Phase zum ersten Entwurf
  • 2024 Testlauf - Pilotversion mit der 2. Standard-Version
  • Im Januar 2025 hat die öffentliche Konsultation für die Claims & Labeling Policy und die Scope Certificate & Transaction Certificate Policy gestartet.
  • 2025 Einführung der verabschiedeten Version des MMS
  • 2026 Übergangsphase & Verpflichtung

TE verfolgt mit dem MMS das ambitionierte Ziel der 45%ige Senkung von Emissionen aus der Faser und Rohstoffproduktion bis zum Jahr 2030 (Basisjahr 2019). Dafür sollen Folgen für Klima und Umwelt mit den Praktiken zu Beginn der textilen Wertschöpfungskette in Verbindung gesetzt werden. Die Förderung von Klimaschutz und Biodiversität wird angestrebt und Tierwohl und Menschenrechte sollen gestärkt werden. Materialien wie Wolle, Alpaka, Mohair, Daunen, Felle sowie verschiedene Recyclingmaterialien (Synthetik, natürliche Materialien, MMCF) liegen im Geltungsbereich des neuen Standards. 

Textile Exchanges Ziele im Zusammenhang mit dem Materials Matter Standard

  • Hybrider Ansatz, der traditionelle praxisbasierte Anforderungen und Fortschrittsindikatoren verknüpft. 
  • Menschenrechte und Lebensgrundlage: Identifikation der einflussreichsten Themen für Menschen und Gemeinschaften mit dem Fokus auf risikobasierten Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht.
  • Tierschutz: Prüfen und Testen von Best Practice für Tierhaltung und dem Mehrwert von Tieren für die Landwirtschaft.
  • Lieferketten Best Practice: Verbesserung der Erstverarbeitung (der Fasererzeugung)  durch Abfallreduktion, Wasser- und Chemikalienmanagement und Luftqualität.
  • Stärkung der Kommunikation: Harmonisierung des Material-Standardsystems, mit dem Ziel der optimierten Verbraucherkommunikation bei der Kennzeichnung.
  • Neue Rohstoffe: Anstreben von Partnerschaften mit Organisationen, die gleichrangige Systeme anbieten, um den Produktbereich zu erweitern (z.B. neue Fasern auf Tierbasis, künstliche Zellulosefasern und Biokunststoffe). 

Tierwohl bei der Rohstoffgewinnung soll in den Fokus des neuen Standards rücken, Quelle: Pexels


Effizienz durch Partnerschaft

Durch die Anerkennung bestehender Standardsysteme sollen doppelte Audits und Zertifizierungen zukünftig reduziert werden. Dafür müssen anerkannte Materialien und Nachhaltigkeitssysteme von TE definierte Kriterien für Klima- und Naturschutzstrategien erfüllen.  Es stehen verschiedene Anerkennungsmodelle zur Verfügung: Growth Partnership (Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung), Specified Recognition (Anerkennung bestimmter Kriterien) oder die Full Recognition (Vollständige Integration eines Standards in den Materials Matter Standard). Interessierte Systeme bewerben sich, werden bewertet und einer öffentlichen Konsultation unterzogen. Es folgt eine Entscheidung und fortlaufende Überwachung der Kriterien Einhaltung.

Ein Blick in den neuen Standard

Wir haben die MATERIALS MATTER STANDARD PILOT V1.0  Version detailliert gesichtet. Im Standard sind sieben Kernbereiche vorgesehen: Organisationsmanagement, Menschenrechte, Landnutzung, Tierschutz, Verarbeitungsanlagen, Lieferkette und Gruppen-Zertifizierung. Jeder Bereich enthält spezifische Kriterien, die für zugeordnete Fasermaterialien gültig sind. 

Eine Effizienzsteigerung soll durch optimierte Ressourcennutzung im Rahmen von Gruppenzertifizierungen erfolgen, Bildquelle: Pexels

kernbereiche

  1. Organisationsmanagement: Klare Zuständigkeiten, Managementpläne, Schulungen und Konformität mit den Standards.
  2. Menschenrechte und Lebensgrundlagen: Verpflichtung zu internationalen Standards, Risikobewertungen und Beschwerde-Mechanismen.
  3. Boden- und Landnutzung: Bodengesundheit, Biodiversität, Wasser- und Pestizidmanagement.
  4. Tierwohl: Fokus auf Gesundheit, Ernährung, Haltung und Transport von Tieren.
  5. Verarbeitungsstätte (erster textiler Prozessschritt, Tier 3,5): Umweltmanagementsystem, Chemikalien- und Abfallmanagement, Energie- und Wasserverbrauch.
  6. Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette: Materialhandhabung, Volumenabgleich.
  7. Gruppenzertifizierung: Gruppenmanager implementiert ein Managementsystem, um die Arbeit der Mitglieder effizient zu koordinieren und Ressourcennutzung zu optimieren.

Farbcodierung

Die Kriterien im Standard sind nach Priorität farbcodiert: Critical (rot) erfordert sofortige Erfüllung zur Zertifizierung, Major (orange) ermöglicht 30 Tage zur Behebung, Minor (gelb) erlaubt 60 Tage, und Recommendation (grün) haben keinen Einfluss auf die Zertifizierung. Den einzelnen Materialien wurden ebenfalls Farben zugeordnet, sodass visuell ersichtlich wird, für welche Materialien das jeweilige Kriterium Gültigkeit hat. 

Beispiel für die Farbcodierung, Quelle: MATERIALS MATTER STANDARD PILOT V1.0

tier 4 im Fokus

Im neuen Standardsystem liegt ein deutlicher Fokus auf dem Tier 4 und damit der Rohstoffproduktion und deren Potential für positive Einflüsse auf Klima und Natur. Dazu gehören der Anbau und die Gewinnung von Rohstoffen aus der Erde, von Pflanzen oder Tieren und die Erstverarbeitung in Tier 3,5 (einschließlich Entkörnung, Retting, Degumming, Cottonisierung, Wollwaschen, Auflösen von Zellstoff und chemisches/mechanisches Recycling). Für die Verarbeitung in den Stufen Tier 3-1 wird der Content Claim Standard (CCS) eingesetzt, um Rückverfolgbarkeit und Materialhandhabung sicherzustellen.

der Grs hinterlässt eine massice lücke

Im Tier 3-1 werden weder direkte Auswirkungen wie Chemikalienmanagement, Abfallmanagement, Wasser- und Energieverbrauch, noch soziale Aspekte adressiert. Insbesondere für die zahlreichen Siegelnehmer des GRS (ca. 43.000, Stand 2023) entsteht hier eine massive Lücke. Besonders drastisch, da kein Standard in den letzten Jahren so viel Zuwachs erhalten wie der GRS. Diese Entwicklung haben wir in unserem aktuellen Artikel zu unserer Labelschule und dem Thema Standardentwicklung anschaulich visualisiert.

Quelle: Materials Matter Standard Pilot V1.0 SUMMARY PAPER VOLUNTARY PROCESSING MODULES

Durch die Vereinheitlichung des GRS und damit des zahlenmäßig stärksten TE-Standards im Materials Matter Standard erfolgt also eine immense Angebotslücke. Diese Problematik wird von TE im Dokument „VOLUNTARY PROCESSING MODULES“ dargestellt. 

 

Über Partnerschaften mit Verifikationssystemen sollen für diese Lücken freiwillige Module angeboten werden, bei denen doppelte Audits vermieden werden. Die optionalen Module sollen für Lieferkettenstandorte angeboten werden, die nach dem CCS im Rahmen des Materials Matter Standard zertifiziert sind.


An anderer Stelle wurde bereits viel erreicht…

Durch großes Interesse der Stakeholder und auch unser Feedback von it fits, welches während der Feedbackrunde der ersten Version eingebracht wurde, wird der Organic Cotton Standard (OCS) als sogenannter „Stand alone Standard“ beibehalten. Wir sind sehr froh darüber, dass es weiterhin einen separaten Baumwollstandard geben wird, denn in der ersten Version des „unified standards“ waren die Anforderungen für Baumwolle nicht mehr auf dem Niveau von kontrolliert biologischem Anbau. TE führt dazu aus:

 

„der OCS wurde mit dem Ziel gegründet, die ökologische Landwirtschaftsproduktion zu steigern und den ökologischen Landwirten den Zugang zum globalen Bio-Markt zu ermöglichen. Dies ist eine wertvolle Nische, die Textile Exchange in seinem zukünftigen Standardsystem weiterhin unterstützen wird. Der OCS wird deshalb als eigenständiger Standard verwaltet werden und wird für die Zertifizierung von Baumwolle aus ökologischem Anbau weiterhin zur Verfügung stehen.“

Fazit & Ausblick

Wir verfolgen die Entwicklungen um den neuen Materials Matter Standard nach wie vor mit Spannung. Dabei gibt uns die Abschaffung des GRS und des damit zahlenmäßig bedeutendsten Branchenstandards der letzten Jahre, sehr zu denken. Mit den freiwilligen Modulen zu den Umwelt- und Sozialkriterien für Tier 3-1, ist diesbezüglich in einem wichtigen Punkt bei der Standardentwicklung nachjustiert worden.  Ein freiwilliger Charakter bei Umwelt- und Sozialkriterien in hochrelevanten Stufen der Wertschöpfungskette stellt aus unserer Sicht aber keine ausreichende Positionierung und damit eine Schwächung des Standardsystems dar. Für uns wäre eine ganzheitlichere Vereinheitlichung der existierenden TE-Standards mit Berücksichtigung von Sozial- und Umweltkriterien in Tier 1-3 der bessere und anspruchsvollere Weg gewesen.

 

 

Sobald der neue Materials Matter Standard in diesem Jahr veröffentlicht wird, finden Sie das passende Portrait mit den wichtigsten Infos in unserer Labelschule, in der wir Sie wie immer über alle aktuellen Entwicklungen und Versionswechseln aller branchenrelevanten Siegeln auf dem Laufenden halten.