Rapider Zuwachs von

GOTS- Zertifizierungen:

Chancen & Risiken

Schon das zweite Jahr in Folge verzeichnet der GOTS einen Anstieg von knapp 35 % bei den GOTS zertifizierten Firmen. Erstmalig sogar im fünfstelligen Bereich, wurden in 2020 über 10.300 Betriebe gemäß dem GOTS zertifiziert. Ein sehr beeindruckender Zuwachs in Anbetracht der massiven Einschränkungen durch die vorherrschende Corona-Pandemie. Oder erfolgte das Wachstum gerade wegen der Pandemie, da jetzt viele Unternehmen verstärkt auf eine nachhaltigere Zielausrichtung achten?! So positiv diese Entwicklung für den GOTS ist, dieses schnelle Wachstum sowie die Krisen-Ausnahmesituation hat auch Risiken.

Als GOTS-Experten haben wir uns dazu Gedanken gemacht. 

Reflektion zum GOTS-Wachstum

Anders als normal üblich wurden aufgrund der besonderen Umstände viele Audits, darunter auch Erst-Inspektionen, virtuell durchgeführt, die sonst jährlich vor Ort in den Firmen stattfinden. In der aktuellen Situation war dies die einzige Möglichkeit, das Zertifizierungssystem aufrecht zu erhalten und nicht völlig zum Erliegen zu bringen. Durch die Ausnahmeregelung für Remote Audits / Virtuelle Audits, die in einer Leitlinie für alle Zertifizierer definiert wurde, konnte für die GOTS-Akteure ein wirtschaftliches Desaster verhindert werden. Anderseits muss jedoch die Qualität und Vertrauenswürdigkeit solcher Remote Audits kritisch hinterfragt werden. Sozialkriterien, inklusive Mitarbeiterinterviews, Arbeitssicherheit und manch andere Kriterien (darunter Anforderungen an Identifikation, Separation) sind virtuell kaum bzw. nur schwer prüfbar. Insbesondere bei den vielen neuen Firmen mit Erst-Audits gibt es zahlreiche unbekannte (Risiko-)Faktoren, die vom Zertifizierer abzuwägen sind. Dennoch müssen im vergangenen Jahr ca. 2.600 Erst-Audits stattgefunden haben und die meisten davon remote, also virtuell ohne vor Ort-Inspektion.

Fraglich ist auch, ob die Zertifizierer auf solch eine gravierende Zuwachsrate personell eingestellt waren. Wie so oft leidet die Qualität durch schnelles Wachstum, wenn nicht ausreichend geschultes und erfahrenes Personal zur Verfügung steht. Neben all diesen Widrigkeiten waren die Zertifizierer schließlich auch noch mit dem Wechsel auf die neue Standardversion GOTS 6.0 beschäftigt. Das alles scheint eine Erklärung dafür zu sein, dass es längst nicht alle Zertifizierer geschafft haben, die seit fast einem Jahr gültige neue Zertifikats-Policy korrekt umzusetzen.  

Ein weiteres Risiko bzw. Herausforderung im Zuge des starken Wachstums zeichnet sich bereits jetzt ab, nämlich der Engpass von Bio-Rohstoffen, vor dem diese vielen zertifizierten Firmen schon heute stehen. Den Spinnereien geht die Bio-Baumwolle aus, es gibt nicht ausreichend Nachschub. Hier hat es die Branche mit einer ernsthaften Bremse in dieser Entwicklung zu tun, für die es keine kurzfristige Lösung gibt. Hoffentlich verführt das niemanden zu grenzwertigen Notlösungen. Es ist die Aufgabe der Zertifizierer den Rohstoff-Input beim GOTS-Audit besonders im Auge zu behalten. Nur die stehen alle am Limit ihrer Kapazitäten und führen seit nun mehr einem Jahr fast ausschließlich Remote Audits durch. Damit stößt dieses wunderbare Wachstum leider auch an risikobehaftete Grenzen.

Wegen der Rohstoffknappheit hat Textile Exchange eine Initiative gestartet, den Baumwoll-Landwirten eindeutige Marktsignale aufzuzeigen, damit sie den Bio-Anbau verstärkt ausbauen. Nur so besteht die Chance, den Bedarf an Bio-Rohstoffen für die nächsten Jahre decken zu können. 
Informationen zu dieser wichtigen TE-Initiative finden Sie im separaten Artikel unter diesem Link
Wir empfehlen an der Umfrage teilzunehmen, wenn Sie dafür sorgen wollen, dass für Ihre Produkte künftig ausreichend Bio-Baumwolle verfügbar ist.

Anzahl der GOTS Zertifizierungen in 2020 erstmals fünfstellig

Neuer Höchststand: 10.388 GOTS zertifizierte Betriebe in 2020, ein Anstieg von 34% im Vergleich zum Vorjahr und mehr als 3 Mio. Beschäftigte in GOTS zertifizierten Betrieben in 72 Ländern

 

GOTS Pressemitteilung vom 25.02.2021

 

Im Jahr 2020 stieg die Zahl der GOTS-zertifizierten Betriebe weltweit um 34% auf einen neuen Höchststand von 7.765 in 2019 auf 10.388. Die derzeit 16 unabhängig akkreditierten GOTS-Zertifizierungsstellen berichten, dass aktuell über 3 Mio. Menschen in 72 Ländern in GOTS-zertifizierten Betrieben beschäftigt sind.  

Dabei sind deutliche Zuwächse in allen Regionen zu verzeichnen. Die Top 10 Länder sind: Indien (2.994), Bangladesch (1.584), Türkei (1.107), China (961), Deutschland (684), Italien (585), Portugal (449), Pakistan (391), USA (167) und Sri Lanka (126).

Die von GOTS zugelassenen Chemikalien stiegen um 13% im Vergleich zum Vorjahr auf 25.913. Dies verdeutlicht einmal mehr, dass die zugelassenen Chemikalien von Nassveredlern zunehmend als Risikomanagement-Instrument genutzt werden, weil sie damit nicht nur den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, sondern darüber hinaus die bessere Wahl für Umwelt und Menschen sind.

„Der außergewöhnliche Anstieg in diesem schwierigen und ereignisreichen Jahr zeigt, dass die Entscheider GOTS als wichtiges Instrument schätzen und damit die umfassende nachhaltige Transformation – vom Feld bis zum fertigen Textil – kraftvoll vorantreiben wollen“ so Claudia Kersten, Geschäftsführerin der Global Standard gemeinnützigen GmbH.

Die GOTS Version 6.0, die nach einer Übergangsphase ab 01.03.2021 verbindlich gilt, enthält nochmal strengere soziale und ökologische Kriterien. Zertifizierte Betriebe müssen nun die Differenz zwischen tatsächlich gezahlten Löhnen und “existenzsicherndem Lohn” berechnen (nach anerkannten Berechnungsmethoden) und dokumentieren. Darüber hinaus sind sie angehalten auf die Schließung dieser Lücke hinzuarbeiten. GOTS 6 enthält nun auch spezifische Verweise auf die OECD “Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains in the Garment and Footwear Sector” and OECD “Good Practice Guidance on Internal Controls, Ethics and Compliance”.  

Auch während COVID-19 und seinen dramatischen Umwälzungen ist die DACH-Region: Deutschland, Österreich und die Schweiz nach wie vor ein wachsender Markt. Diese weiterhin positive Entwicklung wird in der Anzahl der GOTS-zertifizierten Betrieben (790), ein Anstieg von 17% im Vergleich zu 2019, deutlich. Wie schon in den Jahren zuvor zeigt der deutschsprachige Markt ein großes Interesse an GOTS Zertifizierungen oder GOTS-zertifizierten Produkten. Auch größere Modemarken und Merchandise-Unternehmen entscheiden sich für eine GOTS-Zertifizierung und treiben so das Thema Nachhaltigkeit in den verschiedenen Bereichen der Textilindustrie weiter voran.

Interessante Ergebnisse der GOTS Impact-Umfrage


Um Erkenntnisse über die Auswirkungen der Pandemie auf GOTS-zertifizierte Unternehmen zu sammeln, wurde eine Umfrage an alle zertifizierten Unternehmen weltweit adressiert. Zurück kamen 796 Antworten. Die Ergebnisse zeigen:

  • 60% änderten den Fokus ihrer Nachhaltigkeitspolitik aufgrund von Covid-19 auf Umwelt und Gesundheit.
  • 40% unterzogen sich im Jahr 2020 einem virtuellen Audit, wovon 95% mit dem Audit zufrieden waren.
  • 83% berichteten von einer Steigerung ihrer Geschäftsaktivitäten, nachdem sie GOTS-zertifiziert wurden.
  • 75% der zertifizierten Unternehmen gaben an, dass sie die vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz ihrer Mitarbeiter befolgen.
  • 50% führten eine Rotation der Mitarbeiter durch, während 43% angaben, Online-Plattformen für die Arbeit von zu Hause aus genutzt zu haben.
  • 55 % gaben an, dass sie ihre Produktionskapazitäten aufgrund von Auftragsrückgängen reduziert haben.
  • 42 % räumten einen Anstieg der Durchlaufzeit und eine Unterbrechung der Lieferkette ein.
  • 40 % gaben an, es geschafft zu haben, ihr Team fokussiert und motiviert zu halten.

Quelle: GOTS NEWS · MARCH 2021 (Newsletter vom 18.03.2021)