Greenwashing - effekt eines megatrends

Nachhaltigkeit surft immer mehr auf einer Welle der Megatrends. Dabei wird zunehmend Nachhaltigkeit vom Konsumtrend zum Wirtschaftsfaktor. Die Anforderungen für Produkte, die sich „nachhaltig“ nennen dürfen, haben undefinierte Grenzen. So mancher nutzt diese Lücke zu seinen Gunsten – ist schließlich alles eine Sache der Auslegung.

Wenn Täuschung, Irreführung, Übertreibung oder nicht belegbare Aussagen im Spiel sind, spricht man von Greenwashing. Warum wird Greenwashing betrieben? Welche Maßnahmen sollen Greenwashing verhindern? Und wussten Sie, dass es einen Greenwashing-Award gibt?

Da sich die Berichterstattung über Greenwashing häufen, haben wir einige Artikel gesichtet und daraus ein paar Fakten zusammengefasst.

Bild: Pexels

„Wir sind klimaneutral“, „aus 100% recyceltem Material“ oder „Wir stehen für eine nachhaltigere Zukunft“. So oder so ähnlich klingen die typisch verdächtigen Slogans. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Kaum einer kann es sich erlauben, nicht in irgendeiner Weise „nachhaltig“ zu sein. Natürlich gibt es viele Unternehmen, die ihre Ziele aus tiefer Überzeugung verfolgen. Aber das Verlangen, auf den Zug des Trends der Neo-Ökologie aufzuspringen, versuchen so manche über ein vorgetäuschtes Image zu lösen, d.h. es wird nur der Eindruck vermittelt, sich den Herausforderungen der Nachhaltigkeit zu stellen. Dann spricht man von sogenanntem Green Marketing oder Greenwashing. (Ispo1).

 

Dabei werden gezielt Schlagwörter verwendet, die Produkte in einem grünen Licht dastehen lassen. Beliebte Aussagen sind zum Beispiel, dass das Unternehmen den Kampf gegen die Armut unterstützt, Produkte ökologisch herstellt oder auf fairen Handel ohne Ausbeutung setzt. Es wird mit irreführenden und nicht belegbaren Aussagen geworben, die der Kunde nicht verifizieren kann. Häufig bewerben Unternehmen „nur“ einzelne Produkte oder Leistungen offensiv als nachhaltig. Eine einzelne nachhaltige Aktivität soll dadurch alle anderen Unternehmenstätigkeiten positiv überlagern, was einer Täuschung durch Übertreibung gleichkommt. (Ispo1) Das gleiche gilt für Hersteller, die einzelne als „grün“ beworbene Kollektionen herausbringen, statt z.B. alle Bestseller komplett auf nachhaltige Prozesse umzustellen. (Ispo2)

 

Manch einer betreibt Greenwashing aus Unwissenheit, andere mit Vorsatz.

 

Wer am Anfang seiner Nachhaltigkeitsaktivitäten steht, läuft unwissentlich leichter Gefahr Greenwashing zu betreiben, da Nachweise/Belege fehlen, die ersten Nachhaltigkeitsziele noch nicht umfassend gesetzt sind oder schon über Nachhaltigkeit kommuniziert wird, ohne Ziele und Strategie definiert zu haben.

 

Aber was ist nachhaltig? Genügt schon ein GOTS-Zertifikat oder das Ziel, ab 2050 klimaneutral zu produzieren? Ist eine Jacke aus recyceltem Polyester nachhaltiger als ein T-Shirt aus Bio-Baumwolle? Und wenn für jedes verkaufte Produkt ein Baum gepflanzt wird, ist es dann egal, unter welchen Bedingungen das Produkt hergestellt wurde? (Ispo2)

 

Noch ist nicht geregelt, wo echte Nachhaltigkeit endet und Greenwashing beginnt.

 

In einer neuen Studie der EU-Kommission zu Greenwashing wurden 150 Umweltaussagen zu verschiedenen Produkten bewertet. Das Ergebnis: 53,3 Prozent der Angaben enthielten vage, irreführende oder unbegründete Informationen über die Umwelteigenschaften der Produkte – sowohl in der Werbung als auch am Produkt selbst.

konkrete beispiele von greenwashing

 Bild: Decathlon

Bild: H&M

Bild: Aldi Süd

ACM (Authority for Consumers and Markets), eine unabhängige Regierungsbehörde in den Niederlanden, setzt sich für die Rechte von Unternehmen und VerbraucherInnen ein und rügte namentlich die zwei Bekleidungs-Marken Decathlon und H&M wegen falscher Nachhaltigkeitsaussagen (ACM1). Sie hatten ihre Produkte mit Überbegriffen wie „Ecodesign“ und Conscious“ angeboten, ohne den Nachhaltigkeitsnutzen direkt mit diesem Claim zu spezifizieren.

 

Sie vereinbarten, die Aussagen anzupassen oder einzustellen, um VerbraucherInnen unmissverständlich zu informieren und nicht in Sachen Nachhaltigkeit in ihren jeweiligen Unternehmen zu täuschen. Die Strafen, die sie zu zahlen hatten, wurden für nachhaltige Zwecke gespendet, es wurden keine weiteren Sanktionen verhängt. H&M und Decathlon stehen jedoch nicht allein da. Immer mehr Greenwashing-Vorwürfe kommen zum Vorschein. (ACM2)

 

Im Juni 2020 brachte der Lebensmitteldiscounter Aldi Süd den ersten klimaneutralen Sneaker heraus.  Das sei „irreführend“ und „intransparent“, beklagen die Verbraucherschützer. Die Klimaneutralität kommt nämlich nicht dadurch zustande, dass bei der Herstellung des Produkts Emissionen reduziert wurden, sondern der CO2-Ausstoß lediglich mit dem Kauf von Zertifikaten kompensiert wurde. Diese spezifischen Fakten werden in der Werbung natürlich verschwiegen. Wer mit dem Begriff Klimaneutralität wirbt, sollte entsprechende Details nennen, wie er diese erreicht hat. (Ispo2)

 

Der norwegische Verbraucherverband hat in diesem Jahr seinen ersten Greenwashing Award an den Online-Händler Zalando verliehen. Der Grund? Nachhaltigkeitsfilter auf der Website des Anbieters, die nach Ansicht der Jury "die ökologischen Herausforderungen der Modeindustrie verschleiern". Wenn man als Verbraucher bei Zalando den nachhaltigsten Pullover kaufen möchte, ist es paradox, dass je mehr Nachhaltigkeitsziele man herausfiltert, desto mehr Produkte als Alternativen erscheinen. Offensichtlich sollte es umgekehrt sein", sagt Jury-Mitglied Instefjord. Der Verband begrüßt die Idee eines Filters, der Verbrauchern hilft, umweltfreundliche Entscheidungen zu treffen. Es ist jedoch wichtig, sich auf die irreführenden Fälle der Sortierfunktion zu konzentrieren. Mehr als 40 Unternehmen waren für den "Award" nominiert, welche deshalb nicht aus dem Schneider sind: Bei der norwegischen Verbraucherschutzbehörde soll eine Beschwerde wegen irreführender Werbung eingereicht werden. Nach Bekanntwerden der Verleihung des Greenwashing Awards kündigt Zalando an, den Filter zum Higg-Index, der 2019 eingeführt wurde, zu entfernen. Er soll laut Zalando durch Informationen über die spezifischen Nachhaltigkeitsmerkmale eines Produkts ersetzt werden, wie z. B. organische Materialien, recycelte Materialien, natürliche Inhaltsstoffe und ähnliches. (taketonews)


stopp von greenwashing - novellierung der eu-verbraucherschutz-verordnung

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Die Notwendigkeit nach internationalen Leitlinien, die Greenwashing und irreführendes Marketing verhindern sollen, werden vor dem Hintergrund dieser und vieler anderer immer wichtiger, um Verbraucher zu schützen und für gerechten Wettbewerb zu sorgen. Die bevorstehende Novellierung der EU-Verbraucherschutz-Verordnung regelt unter anderem auch das „Green-Claiming“ und wird somit Pseudo-Öko-Versprechen ausbremsen. Die Umsetzung der Anti-Greenwashing-Verordnung der EU ist für das vierte Quartal 2023 geplant. Die neue Verordnung stützt sich auf vier grundlegenden Maßnahmen:

  1. Keine Verwendung unzuverlässiger und intransparenter Siegel. D.h. auch keine Selfmade-Siegel, welches nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder nicht auf von staatlichen Stellen festgesetzten Parametern basiert. Zertifizierungen unterliegen ökologischen Mindeststandards, die nicht mehr von den Unternehmen selbst definiert werden.
  2. Verbot allgemeiner Umweltaussagen, bei denen die Umweltleistung nicht nachgewiesen werden kann.
  3. Aussagen über zukünftige Umweltleistungen dürfen nur getroffen werden, wenn sie klare Verpflichtungen enthalten. Klimaneutralität bis zu einem definierten Zeitpunkt darf man nur versprechen, wenn man die Maßnahmen dafür auch offenlegt.
  4. Wenn sich eine Umweltaussage nur auf einen bestimmten Aspekt eines Produkts bezieht, darf sie nicht für das gesamte Produkt verwendet werden. (Flustix1)

Auf dem EU-Index werden zahlreiche Begriffe und Aussagen landen und damit deren Verwendung geregelt, wie: umweltfreundlich, umweltschonend, öko, grün, naturfreundlich, ökologisch, umweltgerecht, klimafreundlich, umweltverträglich, CO2-freundlich, schadstofffrei, CO2-neutral, CO2-positiv, klimaneutral, energieeffizient, biologisch abbaubar, biobasiert. Auch weiter gefasste Aussagen, wie „bewusst“ oder „verantwortungsbewusst“, mit denen eine hervorragende Umweltleistung suggeriert wird, sollen verboten werden. (Flustix2)

 

Nach ACM sollten verschiedene Richtlinien zu Nachhaltigkeitsaussagen eingehalten werden, an denen sich Unternehmen orientieren können. Diese beinhalten fünf Faustregeln:

  1. Den Nachhaltigkeitsnutzen des Produkts verdeutlichen
  2. Nachhaltigkeitsaussagen mit Fakten untermauern und aktuell halten
  3. Vergleiche mit anderen Produkten, Dienstleistungen oder Unternehmen müssen fair sein
  4. Ehrlich und konkret in Bezug auf die Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens sein
  5. Claims und Etiketten sollten für die Verbraucher hilfreich und nicht verwirrend sein

IFOAM – der Weltdachverband des ökologischen Anbaus, setzt sich ebenfalls schon seit Jahrzenten ein, dass die Verwendung des Begriffes „Bio“ im Textilsektor gesetzlich geschützt wird. Dadurch würde sichergestellt werden, dass unbelegte und selbst aufgestellte Behauptungen über Produkte aus landwirtschaftlich zertifizierten Materialen nicht mehr möglich sind. Damit verbunden ist eine entsprechende Kennzeichnung durch ein „Bio-Siegel“. Ohne Zertifizierung wird keine Verwendung des Begriffs „Bio“ erlaubt sein. (IFOAM)(siehe Artikel Rechtlicher Schutz des Begriffs „Bio“ bei Textilien)

werkzeuge und methoden zur vermeidung von greenwashing

Ein hilfreiches Instrument für Unternehmen kann der Nachhaltigkeitsbericht sein. Dabei sollten die Aktivitäten von einer offiziellen Stelle geprüft sein und nicht nur auf unternehmenseigenen Angaben beruhen (Ispo1). Meist ist schon ein kleines, aber wichtiges Indiz die Transparenz eines Unternehmens. Wer Informationen nicht preisgibt, hat etwas zu verbergen. Dazu gehören Informationen wie die Mitgliedschaft in Gremien, wo/wer die Produktionsstätten sind oder sogar wo jedes einzelne Produkt hergestellt wurde. (Ispo2)

Mitgliedschaften in Verbänden, Bündnissen, Organisationen, Projekten, womit sich das Unternehmen für die Umsetzung gemeinsame Ziele verpflichtet und verifizierbare Aussagen erarbeitet werden. 

 

Bild: Tchibo


Wer auf verlässliche Aussagen und vertrauenswürdige Siegel zurückgreifen möchte und auf glaubwürdige Nachweise durch Zertifizierung setzen möchte, kann sich in unserer Labelschule hierzu ausführlich informieren. Dort haben wir allgemeine Grundlagen zu Zertifizierung, Siegel und Standardprogrammen fundiert dargestellt und präsentieren diverse Label/Standard-Portraits, wie z.B. GOTS, C2C, Fair Wear Foundation, Grüner Knopf und einige mehr.

 

Manche Standards/Sigel betrachten nur einen Teilaspekt und nicht immer die gesamte Lieferkette. Zudem entwickeln sich die Anforderungen der Siegel und Programme immer weiter und unterliegen ständigen Revisionen. Die Herausforderung liegt darin, für das Unternehmen und seine individuellen Ziele das geeignet Siegel, Standard, Zertifizierungssystem herauszufiltern und erfolgreich zu implementieren.