IFoam position paper

rechtlicher schutz des begriffs "bio" bei textilien

In der Europäischen Union (EU) ist die Verwendung des Begriffs „Bio“ in Bezug auf Textilien nicht auf dieselbe Weise geschützt wie in der Lebensmittelindustrie. Auch die Textilbranche sollte ein einheitliches „Bio“-Siegel bekommen, das die Verwendung des Begriffs „Bio“ im Idealfall über die gesamte Produktions- und Verarbeitungskette schützt.

Warum das so wichtig für die ArbeitnehmerInnen in der Faser- und Textilproduktion ist und was passiert, wenn wir diese Reform nicht durchsetzen, können Sie im Positionspaper der IFOAM Organics Europe nachlesen.

Bild: Organics Europe

die glaubwürdigkeit des bio-siegels schützen

Wegen der fehlenden Regulierung des Begriffs „Bio“ bei Textilien ist es notwendig, die Glaubwürdigkeit bei der Bezeichnung „Bio“ in diesem Sektor sicherzustellen und dass sich das Siegel idealerweise auf die gesamte Produktions- und Verarbeitungskette bezieht, so wie es bei zertifiziert ökologisch erzeugten Lebensmitteln der Fall ist. 

 

Es ist erlaubt, Textilerzeugnisse mit der Bezeichnung "Bio" auszuloben, ohne dass hierfür ein Nachweis für den ökologischen Ursprung und die ökologische Produktion erbracht werden muss. Bio-Fasern, die in ökologischen Anbaubetrieben erzeugt werden, müssen ökologische Anbaustandards/Verordnungen erfüllen und von unabhängigen Kontrollstellen zertifiziert werden. Die weitere textile Verarbeitung und der Handel werden jedoch nicht durch diese Bio-Verordnungen berücksichtigt. 

 

Damit Textilien und Bekleidung aus zertifizierten „Bio-Fasern“ glaubwürdig als „Bio-Textil“ gekennzeichnet werden können, greifen derzeit nur freiwillige Zertifizierungen nach einem angemessenen Verarbeitungsstandard wie z.B. gemäß dem Global Organic Textile Standard (GOTS).

 

IFOAM Organics Europe empfiehlt für die Kennzeichnung von Textilerzeugnissen als "Bio" folgendes:

Die Textilfasern sollten von Rohstoffen stammen, die in Bio-Anbaubetrieben nach weltweit anerkannten Standards des ökologischen Landbaus hergestellt wurden (wie der EU-Öko-Verordnung oder dem US National Organic Programme oder anderen Standards der IFOAM Organics International Family of Standards)

  • Die Textilien sollten außerdem nach einem anerkannten ökologischen Textilverarbeitungsstandard verarbeitet werden, der bedenkliche Stoffe und Rückstände nach klaren Kriterien verbietet
  • IFOAM Organics Europe erkennt an, dass die Angabe des ökologischen Faseranteils ("enthält X% Bio-Fasern") ein wichtiger und nützlicher Schritt ist

Darüber hinaus empfiehlt IFOAM Organics Europe, dass die Europäische Kommission zwei Kategorien von Textilerzeugnissen unterscheidet, die "Bio" bei der Auslobung verwenden dürfen:

  • Textilien, die Bio-Fasern enthalten:

Textilien, die mindestens zu 50% aus Bio-Fasern bestehen. In dieser Kategorie wird nur die Nachweisbarkeit der ökologischen Fasern verlangt, so dass dem Endverbraucher ein bestimmter Anteil an ökologischen Fasern im Produkt garantiert wird. Auf dieser Ebene müssen keine Kriterien auf der Verarbeitungsstufe, weder ökologische (z.B. verbotene Chemikalien) noch soziale erfüllt werden.

  • „Bio-Textilien":

Textilien aus mindestens 70 % Bio-Fasern, die nach einem anerkannten Verarbeitungsstandard verarbeitet wurden, außerdem unter vollständiger Kontrolle der verwendeten Chemikalien (basierend auf geeigneten gefährdungs- und risikobasierten Kriterien), unter Berücksichtigung der Umwelt und der Mindestanforderung an sozialen Bedingungen in der gesamten Lieferkette. 

hintergrund

Der European Green Deal (EGD), den die Kommission im Dezember 2019 vorgestellt hat, hat als eines seiner Hauptziele die "Umgestaltung der EU-Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft", unter anderem durch "Erhaltung und Wiederherstellung der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt". Der EGD gab den Anstoß zur Veröffentlichung des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft (Circular Economy Action Plan CEAP), der eine "Initiative für nachhaltige Produkte" beinhaltet, mit besonderem Schwerpunkt auf ressourcenintensiven Sektoren wie Textilien, Bauwesen, Elektronik und Kunststoffe". Die EU-Strategie für nachhaltige Textilien ist somit Teil des CEAP und zielt darauf ab, "einen umfassenden Rahmen mit Bedingungen und Anreizen zu schaffen, die die Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit des EU-Textilsektors fördern". Der Schutz des Begriffs "Bio" im Zusammenhang mit Textilien steht ganz im Einklang mit den Zielen dieser Strategie.

möglichkeiten zur verbesserung der glaubwürdigkeit und rückverfolgbarkeit von bio-textilien

Gegenwärtig scheint es so, dass viele Unternehmen nicht einmal die bestehenden freiwilligen Standards nutzen, um ihre Behauptung über den Anteil an Bio-Fasern abzusichern. Außerdem gibt es keine gesetzliche Vorschrift für eine obligatorische Zertifizierung. Von der ökologischen Faserproduktion auf der Ebene des landwirtschaftlichen Betriebs bis hin zur ökologischen Weiterverarbeitung gibt es noch Spielraum für Verbesserung der Rückverfolgbarkeit bei Bio-Textilien.

 

GOTS ist federführend bei der Entwicklung ökologischer Textilien, die durch ein duales Absicherungssystem die Einhaltung anspruchsvoller ökologischer und sozialer Anforderungen sicherstellen und anhand von Scope- und Transaktions Zertifikaten nachweisen. Hierdurch wird die Rückverfolgbarkeit und damit die Glaubwürdigkeit der Zertifizierung von Bio-Textilien erheblich verbessert. Die Zusammenführung der beiden Teile der Wertschöpfungskette - Faserherstellung und textile Verarbeitung, ist der einzige Weg, um einen angemessenen Verbraucherschutz zu gewährleisten und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Beteiligten zu schaffen.

 

Der von IFOAM Organics Europe vorgeschlagene Ansatz würde wenig EU-Ressourcen erfordern.

Die Anerkennung bereits bestehender Standards steht im Einklang mit dem in den USA verfolgten Ansatz, wo ein sehr hoher Schutz bezüglich der Auslobung von Bio-Textilien existiert. Dieser Ansatz steht auch im Einklang mit der EU-Textilverordnung, die harmonisierte Bestimmungen über die Etikettierung und Vermarktung von Textilerzeugnissen festlegt, um Hemmnisse für den Binnenmarkt im Textilsektor zu beseitigen und eine angemessene Auskunft für Verbraucher zu gewährleisten, insbesondere in Bezug auf die Umwelt- und Sozialkennzeichnung.

fazit

Die Unterscheidung der rechtlichen Regelungen auf EU-Ebene zwischen Bio-Lebensmitteln und Bio-Textilien verstärkt die Notwendigkeit, die Glaubwürdigkeit eines Bio-Textil-Siegels zu sichern. Die EU ist zunehmend aktiv in Fragen der Nachhaltigkeit, dem Übergang zu umweltfreundlichen Geschäftsmodellen, dem Schutz der biologischen Vielfalt und als Reaktion auf den Klimawandel. Auch die Verbraucher sind zunehmend für diese Themen sensibilisiert und verbessern ihr Konsumverhalten. Zugleich stellen ökologische Textilien eine glaubwürdige Alternative und einen vielversprechenden Markt dar, den es einheitlich zu regeln gilt.

 

 

Quelle:

Organic textiles- Protecting the credibility of the organic label, August 2022