Mehr als 75% der weltweit angebauten Baumwolle ist mittlerweile gentechnisch verändert, gleichzeitig ist eine zunehmende Nachfrage für ökologisch produzierte Baumwoll-Produkte, die während der gesamten Herstellungskette nicht mit Gentechnik in Berührung gekommen sein dürfen, zu verzeichnen. Das kann zu Problemen führen, da unbeabsichtigte aber auch bewußte Vermischungen von ökologischer mit gentechnisch veränderter Baumwolle nicht ausgeschlossen werden können. Die Verfügbarkeit von verlässlichen Untersuchungsmethoden ist somit unabdingbar. In diesem Artikel werden die für den Nachweis von gentechnischen Veränderungen in Baumwollprodukten notwendigen analytischen Schritte diskutiert.
Bild: Impetus GmbH & Co. Bioscience KG
Verfasser: Dr. Lothar Kruse; Impetus GmbH & Co. Bioscience KG
Baumwolle (Gossypium sp.), die wichtigste Pflanzenfaser in der textilverarbeitenden Industrie, wird in 25 Ländern angebaut. 94% der weltweiten Anbaufläche konzentrieren sich auf die fünf wichtigsten Länder, Indien, USA, Pakistan, China und Brasilien. Gentechnisch veränderte Baumwolle wird seit 1996 angebaut und erreichte im Jahr 2018 eine Gesamtfläche von 25 Millionen Hektar, was einem Anteil von 76% an der weltweiten Baumwollproduktion entspricht [1].
Aktuell sind 67 verschiedene gentechnisch veränderte Baumwollvarietäten (Events) beschrieben, die fast ausschließlich Herbizid-Toleranz oder/und Insekten-Resistenz vermitteln. Bekannte
Beispiele für Herbizid-tolerante Baumwolle sind die beiden Events "Liberty Link™/LLcotton25", das eine erhöhte Toleranz gegenüber dem Herbizid "Glufosinat/Phosphinotricin" aufweist und
"Roundup Ready™ Cotton/ MON1445", das höhere Dosen des Herbizids "Roundup Ready™/Glyphosat" toleriert. Als weit verbreitete Insekten-resistente Events gelten die Varietäten "Bollgard II™ Cotton/
MON15985" sowie "Bollgard™ Cotton/ MON531" [2].
Viele Konsumenten sind der Gentechnik gegenüber kritisch eingestellt, besonders Bürger der EU zeigen eine stark ablehnende Haltung gegenüber der "Grünen Gentechnik", d. h. gentechnisch veränderte
Pflanzen. Es ist offensichtlich, dass dieses umso mehr für Produkte gilt, die als "Organic", "Öko" etc. ausgelobt werden. So gekennzeichnete Lebens- und Futtermittel müssen in der Europäischen
Union den Anforderungen der EU-Öko-Verordnung (EG) Nr. 834/2007 genügen, die die Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen ausschließt.
Während Baumwolle kaum eine Rolle in der Lebens- und Futtermittelindustrie spielt, ist sie für die Textilverarbeitung unersetzlich. Im Rahmen der immer stärker geforderten Transparenz
innerhalb der Lieferketten, zur Kontrolle von Werbeaussagen für angebotene Produkte sowie zur Qualitätssicherung gewinnen Prüfungen auf gentechnische Veränderungen auch bei Baumwolltextilien an
Bedeutung. So hält der führende internationale Herstellungs-Standard für Textilien, der "Global Organic Textile Standard (GOTS)", den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen in der
ökologischen Landwirtschaft für nicht kompatibel mit den Prinzipien der ökologischen Herstellung und Verarbeitung [3].
Natürlich können Kontaminationen von ökologischer Baumwolle mit gentechnisch veränderter Baumwolle nicht immer vermieden werden. Vermischungen oder Verunreinigungen von Baumwolle gleich welcher
Art kommen im Anbau, bei der Ernte und Zwischenlagerung, in der Entkörnung, Lagerung oder auch in Spinnereien vor. Hier wird oft Baumwolle unterschiedlicher Herkunft z. B. für die Herstellung
bestimmter Garnqualitäten mit besonderen Eigenschaften gemischt. Auf allen Stufen, bei denen ein Produkt zu hundert Prozent aus organischer oder Bio-Baumwolle hergestellt und angeboten werden
soll, muss deswegen so exakt wie möglich gearbeitet werden. Die jeweiligen Materialien müssen getrennt voneinander in gereinigten Maschinen verarbeitet werden. Gerade weil Verschleppungen so
schwierig zu vermeiden sind, ist es sehr wichtig, belastbare und aussagekräftige quantitative Aussagen treffen zu können, denn für Kunden ist es natürlich interessant zu wissen, ob gentechnisch
veränderte Baumwolle eher im Spurenbereich oder im hochprozentigen Bereich vorliegt. Im ersten Fall handelt es sich wahrscheinlich um technisch nicht zu vermeidende Verschleppungen, im letzteren
Fall könnte Absicht eine Rolle spielen, nicht zuletzt wegen der deutlich höheren Preise für Bio-Baumwolle.
Im April 2009 hatte die indische Agrarbehörde Strafen gegenüber einigen Unternehmen ausgesprochen, weil vor allem in zwei indischen Provinzen gentechnisch veränderte Baumwolle als Bioprodukte
vermarktet worden war. Zertifizierungsunternehmen aus Frankreich und den Niederlanden hatten der Baumwolle trotz der Verwendung gentechnisch veränderter Sorten bescheinigt, es handele sich um
Bio-Ware [4].
Bilder: Impetus GmbH & Co. Bioscience KG
Alle 67 Baumwoll-Events enthalten artfremdes genetisches Material, d. h. bestimmte DNA-Fragmente, die aus Viren, Bakterien und Pflanzen stammen können, werden im Labor zu einem sogenannten „DNA-Konstrukt“ verbunden und dann in das Erbgut von Wirts-Baumwollpflanzen stabil integriert (siehe Abb. 1). Das Ziel solcher "Transformationen" besteht in der Erzeugung von sogenannten transgenen Baumwoll-Events, die auf diese Weise neue Eigenschaften wie Herbizid-Toleranz oder Insekten-Resistenz implantiert bekommen. Die DNA aller Organismen enthält Gene, also informationstragende Abschnitte sowie viele regulatorisch wirkende DNA-Sequenzen wie Promotoren und Terminatoren, die den Anfang und das Ende eines Gens definieren (siehe Abb.1).
Intelligente analytische Strategien sollten gentechnische Veränderungen detektieren, identifizieren und quantifizieren, um nachfolgende Fragen zu beantworten:
Entscheidend für die gesamte Analytik ist der erste Schritt, die Extraktion und Aufreinigung der DNA. Die Wahl der geeigneten Methoden hängt von der Matrix ab; ist die Gewinnung von DNA aus
unverarbeiteten Materialien wie Saatgut oder Fasern in der Regel einfach, so muß wesentlich mehr Aufwand für das Erreichen desselben Zieles bei chemisch behandelten, z. B. gebleichten, gefärbten
und mercerisierten Matrices investiert werden.
Ist DNA ausreichender Menge und Reinheit, d. h. möglichst frei von co-extrahierten Komponenten, die sich nachteilig auf die nachfolgenden analytischen Schritte auswirken könnten, verfügbar,
folgt die PCR.
Bei der PCR (Polymerase Chain Reaction) handelt es sich um eine Methode zur Herstellung von vielen Millionen identischer Kopien eines definierten DNA-Abschnittes. Dabei werden Arbeitsschritte
(Zyklen) standardmäßig 45 Mal wiederholt, wobei in jedem Zyklus die DNA verdoppelt wird, d. h. es handelt sich um eine exponentielle Reaktion. Bei der Realtime PCR lässt sich diese
Vervielfältigung online, d.h. während die Reaktion läuft, beobachten.
Screening (Detektion einer gentechnischen Veränderung)
Alle transgenen Baumwoll-Events enthalten regulatorische DNA-Sequenzen wie Promotoren und Terminatoren, wobei oftmals verschiedene Events dieselben Regulator-Sequenzen enthalten (siehe Abb.
1). Deshalb ist es mithilfe eines umfänglichen PCR-Screenings möglich, fast sämtliche Baumwoll-Events zu detektieren bzw. auszuschließen, d. h. schnell festzustellen, ob überhaupt eine
gentechnische Veränderung vorliegt. Eine eindeutige Identifizierung des Events oder quantitative Aussagen sind durch ein Screening nicht möglich.
Identifizierung (Identifizierung von Baumwoll-Events)
Beim Event-spezifischen Nachweis wird der exakte Übergangsbereich zwischen dem eingebrachten "fremden" DNA-Konstruktes und der natürlichen Wirts-DNA identifiziert (siehe Abb.1). Im Unterschied
zum Screening, das lediglich Hinweise auf eine gentechnische Veränderung geben kann, gelten Eventnachweise als direkt und erlauben eine sofortige zweifelsfreie Zuordnung des jeweiligen
gentechnisch veränderten Events, z. B. MON 531 oder MON 15985.
Pflanzen, die dieses Konstrukt enthalten, sind gentechnisch verändert und resistent gegenüber bestimmten Schadinsekten. Dieses artifizielle DNA-Gebilde besteht aus 4 DNA-Sequenzen (Promotor, CTP4, Cry-Gen, nos-Terminator), die viralen, bakteriellen sowie pflanzlichen Ursprungs sind und stabil in die Wirts-DNA integriert wurden. PCR-Screening-Reaktionen detektieren DNA-Abschnitte, die häufig in gentechnisch veränderten Pflanzen zu finden sind, hier den Promotor und den Terminator. Event-spezifische PCR-Nachweise identifizieren exakt die Stelle, an der das Konstrukt in die Wirts-DNA integriert wurde
Abbildung: Impetus GmbH & Co. Bioscience KG
Quantifizierung (Bestimmung des prozentualen Anteils von gentechnischen Veränderungen)
Von besonderer Bedeutung ist die Möglichkeit, zwischen geringen Spuren von gentechnisch veränderter Baumwolle (technisch unvermeidbare Kontaminationen) und höher prozentigen Anteilen
(Intentional?) unterscheiden zu können. Dazu sind Techniken erforderlich, die verlässliche quantitative Aussagen ermöglichen, z. B. die neueste Generation digitaler PCR Technologie. Bei der
Quantifizierung von gentechnisch veränderter DNA werden parallel zwei Reaktionen durchgeführt. Die erste PCR vervielfältigt einen DNA-Abschnitt, der in allen Baumwoll-Arten natürlicherweise
vorkommt. Die zweite PCR amplifiziert einen DNA-Abschnitt, der spezifisch für eine ganz bestimmte gentechnisch veränderte Baumwolle ist. Sind die Signalstärken der beiden Reaktionen identisch,
beträgt der Anteil der gentechnisch veränderten DNA 100%. Unterscheiden sich die Signalstärken, ist der gentechnisch veränderte Anteil entsprechend niedriger. Die Messung der Signale basiert auf
Fluoreszenzfarbstoffen, die in jedem Zyklus der PCR in die neu gebildete DNA eingebaut wird. Die Fluoreszenz nimmt proportional mit der Menge der gebildeten PCR-Produkte zu.
Im April 2019 wurde die erste "offizielle" Methode für das “Screening von GVOs in Baumwolle und Textilien” (IWA 32:2019) publiziert. Im Rahmen eines Projektes, das von der "Organic Cotton
Accelerator" initiiert, vom Niederländischen Institut für Standardisierung (NEN) ermöglicht und von dem EU Referenz Labor RIKILT durchgeführt wurde, haben 80 Teilnehmer aus 23 Ländern
zwischen Herbst 2018 und April 2019 ein Protokoll entwickelt, das als Screening-Anleitung für die Detektion von gentechnisch veränderter Baumwolle in Saatgut, Blättern sowie (verarbeiteten)
Faser-Proben dienen kann [5].
Es ist sehr wichtig anzumerken, dass dieses " International Working Agreement (IWA)" nicht-bindenden Charakter hat, d. h. Methoden, die gleichwertige oder bessere Ergebnisse erzielen, dürfen
angewandt werden. Besonders die dort genannten Methoden zur DNA-Extraktion sind ungeeignet, um auch aus verarbeiteten Produkten DNA von ausreichender Qualität und Quantität zu gewinnen.
Das Ziel dieses Projektes, die Verfügbarkeit einer einfachen Screening-Methode für die Detektion von gentechnischen Veränderungen in Saatgut und Rohbaumwolle, sollte nur als erster Schritt einer
mehrstufigen Analytik verstanden werden. Weder die Untersuchung von textilen Endprodukten noch beiden wichtigen, nachfolgenden Analyse-Pakete "Identifizierung der Events" und "Quantifizierung der
identifizierten Events", waren Bestandteile des Projektes.
Fast alle der in dieser IWA beschriebenen analytischen Arbeitsschritte wurden bereits vor vielen Jahren publiziert und sind seit mehr als 20 Jahren in der EU im Rahmen der Untersuchung von
gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln standardisiert. Obwohl keine analytischen Innovationen in diesem Protokoll zu finden sind, kann es für mit DNA-Analytik nicht vertraute
Labore hilfreich sein. Wichtiger jedoch scheint zu sein, dass der offizielle Charakter dieses Protokolls dazu beitragen wird, die Akzeptanz DNA-basierender Methoden im Bereich der Faser-Analytik
zu erweitern. Für uns lag die Motivation dafür, sowohl an der Entwicklung als auch an dem im Januar 2019 in Neu Delhi stattgefundenen Abschlußtreffen teilzunehmen, darin, die Grenzen dieses
Protokolls aufzuzeigen und die unserer Meinung nach dringenden weiterführenden Arbeiten zu diskutieren.
Wir untersuchen gentechnisch veränderte Baumwolle seit 20 Jahren und wissen aus Diskussionen mit unseren Kunden sowie Behörden, dass die Forderung der "Null-Toleranz", also die völlige
Abwesenheit von gentechnisch veränderter DNA, unrealistisch und praxisfern ist. Es ist extrem schwierig und oftmals sogar unmöglich, auf allen Stufen der Baumwoll-Verarbeitung Kontaminationen
immer zu vermeiden. Deshalb wäre ein allgemein akzeptierter Schwellenwert, unterhalb dessen geringe Spuren von gentechnisch veränderter DNA akzeptiert würden, sinnvoll. Ein pragmatischer
Ansatz könnte die Anlehnung an den im Deutschen Textilkennzeichnungs-Gesetz genannten Wert von 2% für tierische Fremdfasern sein, oder der in der EU für Lebens- und Futtermittel geltende Wert von
0,9%.
Im Rahmen unserer kontinuierlich laufenden Optimierungsversuche haben wir die negativen Auswirkungen der in der Textilverarbeitung wichtigen Behandlungsschritte Bleichen und Färben untersucht.
Wie zu erwarten, reduziert Bleichen die DNA-Ausbaute um mehrere Größenordnungen, dennoch waren noch für eine valide Analytik ausreichende Mengen zu extrahieren. Durch systematisches Ausprobieren
von verschiedenen Kombinationen bestimmter Enzyme und neuer Reinigungsschritte konnten wir das Spektrum der analysierbaren Matrices auf Endprodukte ausdehnen und auch hier in den meisten
Fällen verlässliche qualitative und quantitative Aussagen treffen (nicht publiziert).
LITERATUR
1: www.transgen.de/anbau/452.gentechnisch-veraenderte-baumwolle-anbauflaechen-weltweit.html
2: www.isaaa.org/gmapprovaldatabase/crop/default.asp?CropID=7&Crop=Cotton
3: Bhajekar, Rahul; GMO testing protocol ISO IWA 32-Technical Details and Impacts; GOTS Bangladesh Seminar; 2019
4: www.transgen.de/archiv/1103.baumwolle-oeko-gentechnik.html
5: www.iso.org/obp/ui#iso:std:iso:iwa:32:ed-1:v1:en
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