Der Grüne Knopf – Gut in der Idee, ausbaufähig in der Umsetzung

Seit der Vorstellung des Grünen Knopfs am 9. September häufen sich die Nachrichten zum neuen Siegel im Postfach von it fits. Kritische KonsumentInnen, potenzielle Label-NutzerInnen aus der Branche, SortimentsplanerInnen und CSR-Beauftrage wenden sich mit ihren Bedenken und Rückfragen bezüglich der Umsetzung und der Glaubwürdigkeit des Siegels an uns. Wir freuen uns damit mehr denn je als Siegelexperte wahrgenommen zu werden und nehmen diese Anfragen-Flut zum Anlass, ein paar relevante Fakten und Einblicke zum Grünen Knopf und die dazu entfachte Diskussion zusammenzutragen.

 

Das ist Ihnen zu viel Text und Sie möchten sich lieber persönlich zum Grünen Knopf oder anderen Siegeln austauschen, haben darüber hinaus noch weiteren Siegel-Klärungsbedarf, dann nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Die Fakten

Der Grüne Knopf ist als staatliches Meta-Siegel für Textilien konzipiert, die unter sozialverträglichen und umweltfreundlichen Bedingungen hergestellt werden. Genutzt werden soll es von Unternehmen, die verantwortungsbewusst handeln. Nach erster Erwähnung im Jahr 2014 wurde das Siegel im September 2019 erstmals vorgesellt und startet mit einer bis zum 30.06.2021 andauernden Einführungsphase. Inhaber des Siegels ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Eine Geschäftsstelle besteht bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Ziel des Grünen Knopfs ist es, VerbraucherInnen ein vertrauensvolles Siegel zur Verfügung zu stellen und somit Orientierung beim Kauf nachhaltiger Textilien zu geben. Dafür bietet ein Eintrag beim Deutschen Patent- und Markenamt als nationale Gewährleistungsmarke die Basis.

 

Der Grüne Knopf spricht alle Hersteller und Händler an, die produktverantwortlich sind. Anwendung findet das Siegel für Textilfasern aller Art, so auch aus Synthetikfasern, welche in Bekleidung, Mode-Accessoires, Heimtextilien, Matratzen, Bettwaren, Rucksäcke, u.a. verarbeitet sind. Beim Grünen Knopf handelt es sich formal um ein globales Siegel, welches EU- und WTO-Recht entspricht.

 

Um ein Produkt mit dem Grünen Knopf kennzeichnen zu dürfen, müssen 46 ökologische und soziale Kriterien erfüllt und geprüft sein. Dieser Kriterienkatalog umfasst 26 Produkt- und 20 Unternehmenskriterien, die derzeit lediglich bei den Prozessstufen Konfektion, Färben Bleichen geprüft werden. Die Produktkriterien können anhand bereits bestehender, anerkannter Siegel – GOTS, IVN Best, Oeko-Tex Made in Green, Fair Wear Foundation, Fairtrade Textilstandard, SA8000, Cradle2Cradle Silver und Bluesign Product – nachgewiesen werden. Abhängig von den Anforderungen des jeweiligen Standards bezüglich sozialer und ökologischer Kriterien ist die Zertifizierung mit einem oder einer Kombination aus mehreren dieser Siegel notwendig. Die Sozialkriterien zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht basieren auf den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie Empfehlungen der OECD für den Textilsektor. Kontrolliert wird die Einhaltung der Kriterien von unabhängigen Prüfstellen (z.B. TÜV), die von der staatlichen Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditiert wurden. Nach erfolgreicher Prüfung wird ein drei Jahre gültiges Zertifikat ausgestellt, das die Einhaltung der Kriterien bescheinigt. Innerhalb dieser Zeit finden stichprobenartige Kontrollen statt. Nach Ablauf der drei Jahre muss eine neue Prüfung erfolgen.

Kontroverse Meinungen zum Grünen Knopf

Zur Einführung des Grünen Knopfs im September 2019 waren 27 teilnehmende Unternehmen geprüft, u.a. Aldi, Tchibo, hess natur und Vaude. 26 weitere befinden sich im Prüfprozess, wie z.B. Erlich, Hugo Boss oder die Otto Group.

 

Allerdings gibt es nicht nur Befürworter zum Grünen Knopf, die Meinungen über das neue Siegel sehr kontrovers. So ist beispielsweise der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft e.V. (iVN) einem staatlichen Meta-Siegel zur Orientierungsgebung für VerbraucherInnen gegenüber positiv gestimmt . Der Gesamtverband textil+mode wiederum positioniert sich klar gegen den Grünen Knopf. Dies begründet Ingeborg Neumann, Präsidentin des Gesamtverbandes textil+mode, damit, dass es „zahlreiche Qualitätssiegel, die auch international anerkannt sind“ gibt und ein weiteres Siegel somit nicht zuträglich ist. Zu dieser Einschätzung kam auch it fits – Organic Textile Partner bereits 2013 im Rahmen des Gutachtens „Der Weg zu nachhaltiger Kleidung“, das für die Bundestagsfraktion „Die Grünen“ verfasst wurde. In diesem Gutachten wurde hinreichend begründet, weshalb es keinem zusätzlichen staatlichen Siegel, sondern der Stärkung schon vorhandener qualitativ hochwertiger Siegel bedarf und worin die Rolle und Aufgabe seitens der Politik besteht. Die Hauptkritikpunkte liegen für die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC), deren Mitglieds- & Partnerorganisationen u.a. die Christliche Initiative Romero (CIR), FEMNET e.V. oder ver.di sind, in der Freiwilligkeit sowie in der abgemilderten Form des Grünen Knopfs in der Einführungsphase. So halten beispielsweise die Clean Clothes Campaign (CCC) und Greenpeace eine freiwillige Produktzertifizierung und -kennzeichnung für nicht ausreichend und fordern ein Lieferkettengesetz, das die Einhaltung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht sicherstellt. Dass in der Einführungsphase nur die Zahlung von Mindestlöhnen, nicht aber die von existenzsichernden Löhnen verankert ist, wird etwa von der CCC beanstandet. Weiter monieren unter anderem die CCC, dass im Einführungszeitraum nur die Nassprozesse und Konfektion abgedeckt werden. Greenpeace und der iVN weisen zudem darauf hin, dass durch die fehlende Abdeckung der Faserproduktion beispielsweiße die Möglichkeit besteht, dass sich gentechnisch veränderte und unter Pestizideinsatz angebaute Baumwolle in mit dem Grünen Knopf ausgezeichneten Textilien wiederfindet. Grundsätzlich fordert der iVN strengere ökologische Regeln. Hinsichtlich der Kommunikation gegenüber VerbraucherInnen bemängelt der iVN die nicht vorhandene Kennzeichnungspflicht der Siegel auf denen die Vergabe des Meta-Siegels Grüner Knopf beim jeweiligen Produkt beruht. In einer Stellungnahme lässt die CCC verlauten: „Daher dürfen aus Sicht der Kampagne für Saubere Kleidung Textilien, welche den Grünen Knopf tragen, nicht als "fair", „sozial nachhaltig“ o.ä. bezeichnet werden.“

Verbesserungsfähig

In der Einführungsphase kann der Grüne Knopf noch nicht halten, was er versprechen möchte. Um seinem hohen Anspruch gerecht zu werden, sind aus Sicht von it fits – Organic Textile Partner garantierte, zeitlich definierte Nachbesserung, wie etwa hinsichtlich existenzsichernder Löhne und dem Einbezug der gesamten Produktionskette sowie ein lückenloses Absicherungssystem essenziell. Zur Wahrung der Glaubwürdigkeit sind zudem eine transparente VerbraucherInnenkommunikation und die Widerspiegelung der realen Kosten für nachhaltig produzierte Textilien im Produktpreis entscheidend. Denn bereits dem halbwegs aufgeklärten Verbraucher fällt auf, dass Strumpfhosen für 1,99 € oder ein Doppel-Pack Bodies für 6,99 € kaum sozial- und ökologieverträglich hergestellt werden können. Und dennoch werden diese günstigen Produkte mit dem Grünen Knopf und folgender Botschaft angepriesen: "Das staatlich anerkannte Siegel kennzeichnet Textilien, die besonders sozial- und umweltverträglich hergestellt wurden. Für den Grünen Knopf gelten äußerst hohe Standards für faire Arbeitsbedingungen und einen verantwortlichen Umgang mit der Umwelt."

Da passen einige Bausteinchen noch nicht richtig zusammen.

 

Sofern sich der Grüne Knopf dem Verbesserungspotential annimmt, besteht die  Chance, mit diesem neuen Siegel doch eine nachhaltige Produktion für Unternehmen und nachhaltigem Konsum für VerbraucherInnen zu gewährleisten.

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